Die Gemeinde im Krisenmodus
Der Geschäftsführer der Synagogen-Gemeinde Köln, David Klapheck, der zusammen mit dem Vorstand ab dem ersten Tag das Krisenmanagement in der Gemeinde übernahm, beantwortete per WhatsApp einige Fragen für die Leser des Gemeindeblattes und gab einen Einblick in den Alltag der Verwaltung der Gemeinde in der Zeit der Corona-Pandemie.
Das Jahr 2020 und besonders die Vorpessachzeit werden uns allen in Erinnerung bleiben.
Pessach war wegen der Corona-Krise in diesem Jahr anders als sonst. Trotz der Restriktionen, die in Köln wie überall zur Bekämpfung der Ausbreitung von Covid-19 eingeführt wurden, geht das Leben in der Gemeinde weiter – vor allem digital. Die Gemeinde wurde vor neue Herausforderungen gestellt. Und es ist gelungen, Gemeindemitgliedern das Gefühl zu vermitteln, dass man an sie denkt, sich um sie kümmert und versucht, wo es möglich ist, zu helfen.
Der Geschäftsführer der Synagogen-Gemeinde Köln, David Klapheck, der zusammen mit dem Vorstand ab dem ersten Tag das Krisenmanagement in der Gemeinde übernahm, beantwortete per WhatsApp einige Fragen für die Leser des Gemeindeblattes und gab einen Einblick in den Alltag der Verwaltung der Gemeinde in der Zeit der Corona-Pandemie.
Es war für alle eine große Herausforderung, aber für die Verantwortungsträger in besonderem Maße. Wie sind Sie und der Vorstand diese plötzlich entstandenen und sehr vielfältigen Probleme angegangen?
Wir mussten dafür sorgen, dass wir alle gesund bleiben – das ist das Entscheidende. Man musste zuerst überlegen, wie wir den Fortbestand, das Fortführen der Gemeinde sichern. Das heißt zum einen, sie muss eine funktionierende Verwaltung haben – wir haben direkt angefangen Homeoffice einzurichten, ich habe Herrn Schock sofort beauftragt mehrere Laptops zu kaufen und sie entsprechend zu programmieren, damit wir Verbindung zu unserem Server via eines VPN-Tunnels aufnehmen können, sodass die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung einigermaßen sicher war.
Zwei Vorstandsmitglieder haben die Berechtigung erhalten, auch so einen Laptop zu bekommen für den Fall, dass ich ausfalle – dann würden sie meine Arbeit übernehmen können Überhaupt war der Vorstand in allen Dingen involviert, hat auch viele Ideen mit eingebracht.
Der Vorstand hat sich den Problemen gestellt und sehr aktiv mitgearbeitet.
Wir haben noch geschafft eine Mazze-Ausgabe für die berechtigten Gemeindemitglieder durchzuführen, die sehr diszipliniert ablief – mit zwei Metern Abstand, die Damen, die die Mazze verteilt haben, hatten Mundschutz an.
Wir hatten einen Infektionsfall in der Küche, die ganze Küchen-Crew wurde in Quarantäne gestellt. Wir konnten mit Hilfe des Vorstandes einen Koch von der ZWST bekommen, dankenswerterweise hat Herr Zaretski, der Pächter unseres Restaurants „Mazal Tov“ sofort seine Hilfe angeboten, Wir haben noch Hilfsköche von einer Zeitarbeitsfirma zur Unterstützung bekommen und haben es damit geschafft diese zwei Wochen Quarantäne zu überbrücken – und zwar so, dass ich glaube, dass keiner im Elternheim etwas bemerkt hat.
Das zweite wichtige Moment: Eine jüdische Gemeinde ohne G‘ttesdienst ist nicht vorstellbar… das kennen wir alle nicht. Wir haben schnell die Entscheidung getroffen, dass wir das in irgendeiner Form online machen müssen. Die Idee von Herrn Dr. Schotland war, dass das professionell sein sollte – nicht einfach auf Handy aufgenommen…
Man hat die richtige Kamera und das richtige Mikrofon gefunden und sowohl den Rabbiner, als auch Chasan Tauber sehr gelungen in Szene gesetzt und beide haben inzwischen auch einen gewissen Spaß an diesem Medium gefunden, obwohl es natürlich die G‘ttesdienste nicht ersetzt. Die erste Ansprache begann Rabbiner Brukner mit den Worten „Ich vermisse Sie“ – indem er das sehr warmherzig sagte, drückte er im Prinzip all das aus, was wir empfinden.
Was waren Ihre ersten Prioritäten?
Man musste sich um so viele Sachen gleichzeitig kümmern, dass ich wirklich nicht sagen kann, wo die Prioritäten lagen, es mussten ja alle Bereiche direkt abgedeckt werden.
Welche Angebote wurden für welche Altersgruppe geschaffen?
Wir haben schon sehr frühzeitig mit allen Mitteln gearbeitet, die andere Institutionen zu der Zeit noch nicht in Gedanken hatten. Irgendwann mussten wir für den Publikumsverkehr schließen – da war das Telefon das Hauptkommunikationsmittel für die Beratung, besonders in der Sozialabteilung.
Eine der Ideen des Vorstandes, die wir sehr gerne umgesetzt haben, war, alle Gemeindemitglieder über 65 Jahre anzurufen, einfach um nachzufragen, wie es ihnen geht und ob sie Hilfe benötigen.
Das wurde gut aufgenommen – jeder fühlte sich mitgenommen, jeder spürte, dass man an jedes Gemeindemitglied gedacht hat.
Es ist komisch hier im Haus keine KiTa zu haben, keine jungen Leute zu haben. Es ist genauso komisch, dass wir unser Elternheim fast hermetisch abgeriegelt haben…
Es kommen keine Besucher mehr, selbst die Ärzte machen ihre „Visite“ über Skype und WhatsApp-Anrufe. Im Elternheim haben wir mehrere Tablets und sie dürfen benutzt werden, damit die Bewohner mit Verwandten kommunizieren können.
Als die Medien Video, Zoom, YouTube-Kanal eingerichtet wurden, haben die Angestellten recht schnell das Potential erkannt und haben großen Spaß daran gewonnen. So hat die KiTa z.B., auch wenn sie am Anfang sehr vorsichtig waren, inzwischen acht Videos produziert und sprudeln vor Ideen – etwa Bastelanleitungen über Video für unsere Kleinsten. Die Religionsschule findet via Zoom statt, Schiurim aus dem Rabbinat ebenso.
Wir versuchen alles Mögliche zu machen, um eine gewisse Normalität zu gewährleisten für die am stärksten Betroffenen, unsere Schwächsten – das sind die Ältesten, aber auch die Jüngsten – die lernen wollen, die Spaß haben wollen, die Beschäftigung brauchen. Man muss ihnen auch etwas bieten und ich glaube, wir sind da gut vorangekommen … Wir können nicht alles ersetzen, aber wir versuchen, wo es geht etwas anzubieten. Der Minjan existiert momentan leider nicht, aber wir versuchen so nah wie möglich daran zu kommen.
Werden diese Angebote gut aufgenommen und genutzt? Bekommen Sie Rückmeldungen?
Das JuZe hat jeden Tag außer Schabbat mindestens einen Programmpunkt über Zoom und das wird sehr gut angenommen.
Wir haben sehr schnell eine Hilfe für die Mitglieder organisiert, die nicht in der Lage sind Einkäufe selbst zu tätigen. Wir haben dafür die Telefonnummer in der Sozialabteilung.
Wir haben auch eine Notfallnummer eingerichtet – eine in deutscher und eine in russischer Sprache – die wirklich nur im Notfall benutzt werden soll, das wurde sehr positiv aufgenommen. Als wir das veröffentlicht haben, hatten wir am ersten Tag 53 Anrufe, die meisten wollten sich informieren und fanden es toll, dass wir so etwas machen.
Der Vorstand hat sehr viele Informationen an die Gemeindemitglieder weitergeleitet, hat in Zusammenarbeit mit der Verwaltung eine Broschüre entwickelt, die an die Mitglieder verschickt wurde, wie man sich am besten verhält – das war anfangs enorm wichtig, als alle noch sehr verunsichert waren.
Der Vorstand hat sich sechs Mal mit einer Mail an die Gemeindemitglieder gewandt und einen Brief an sie versandt. Da möchte ich die Sozialabteilung loben, die sehr schnell die deutschen Texte ins Russische übersetzte.
Die Zusammenarbeit vom Vorstand bis hin zum Hausmeister, der bei der Mazzeausgabe bereitstand und Pakete auslieferte – das war unglaublich. Dieser Zusammenhalt ist etwas Besonderes. Es gab auch einige aus der Gemeindevertretung, die sich freiwillig gemeldet haben um einfach mit anzupacken.
Wir bekommen sehr viele Rückmeldungen. Viele sagen, „das haben wir gar nicht erwartet“, und danken, das tut den Damen in der Sozialabteilung gut! Wichtig ist, dass sie sich nicht alleine fühlen. Wir müssen versuchen eine starke Gemeinschaft zu sein und das auch den Mitgliedern zu zeigen versuchen.
Gibt es etwas, worüber Sie sich in dieser Zeit freuen können, womit Sie besonders zufrieden sind?
Wir haben eine solche Situation noch nie erlebt, und ich kann nicht genug wiederholen, wie sehr man improvisieren muss. Von jetzt auf gleich ein Homeoffice zu organisieren, von jetzt auf gleich völlig neue Dienste anzubieten, von jetzt auf gleich änderte sich die Vorstandsarbeit total – in einen Krisenmodus umzuschalten, das ist nicht leicht.
Dazu kann ich sagen: Das hat die SGK mit Bravour bestanden.
Und obwohl alle sehr viel leisten, möchte ich doch eine Abteilung hervorheben – das Elternheim. Was die Mitarbeiter im Moment leisten, unter welchen Bedingungen – das ist enorm.
Jeden Tag gab es von der Stadt eine Änderung. Sie müssen z.B. plötzlich die Heimbewohner, die zusammen essen, mit einem Abstand von zwei Metern voneinander sitzen lassen. Wir haben gar nicht genug Raum! Was kann man machen? Die findigen Lösungen auch von den Mitarbeitern des Elternheims – das ist etwas Besonderes. Und die besondere Verantwortung der Mitarbeiter, alles zu tun, damit es keine Ansteckungen gibt, wie sie mitgezogen sind – das ist unfassbar. Das muss man besonders erwähnen.
Besonders zufrieden bin ich, dass der Vorstand die Wichtigkeit der Situation sofort erkannt und Möglichkeiten geschaffen hat, notwendige Schritte zu unternehmen. Ein Homeoffice einzurichten kostet u.a. Geld. Und sofort die Situation zu verstehen und umzusetzen in etwas Positives, daran mitgestaltend zu wirken, dafür bin ich dem Vorstand sehr dankbar.
Gibt es Pläne und Vorstellungen, wie es in der Gemeinde weitergeht?
Die Vorgaben machen der Bund, das Land und die Stadt. Solange die G‘ttesdienste nicht erlaubt sind, müssen wir uns daran halten. Das betrifft alle öffentlichen Veranstaltungen. Der Plan richtet sich nach dem, welche Vorgaben wir erhalten. Das hat sich in den letzten vier Wochen fast täglich geändert. Wir können momentan nicht für die Zukunft planen.
Ich hoffe sehr, dass es schnell vorbeigeht, befürchte aber, dass wir nicht so schnell zu einem normalen Leben wie vorher wieder werden zurückkehren können. Wir werden näher daran kommen – Schritt für Schritt.
Möchten Sie sich an die Gemeindemitglieder und an die Mitarbeiter der Gemeinde wenden?
Natürlich wünsche ich allen Mitgliedern, dass sie gesund bleiben und die Kraft haben diese Zeiten gut zu überstehen. Vor allem wünsche ich, dass Sie sich nicht einsam fühlen. Das ist in diesen Zeiten sehr wichtig. Versuchen Sie nach Möglichkeiten über Zoom oder Skype oder mit anderen Methoden mit ihren Verwandten und Freunden, mit ihren Liebsten im Kontakt zu bleiben.
Vielen Dank für das Gespräch! Ich wünsche Ihnen viel Kraft, Geduld und gute Gesundheit!