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Ikone im Kampf gegen Alt-Nazis

Die fruchtbare Kooperation zwischen der Synagogen-Gemeinde Köln, dem Verein EL-DE-Haus e.V. und dem NS- Dokumentationszentrum der Stadt Köln hat es möglich gemacht: Am 23. Oktober besuchte uns Beate Klarsfeld. Gemeinsam mit ihren beiden Freundinnen, die sie nach Köln begleitet hatten, stand Frau Klarsfeld  Schülern und Schülerinnen der Lauder-Morijah Grundschule und der Religionsschule  Rede und Antwort. Ihre Freundinnen, Mme. Weisz und Mme. Cain sind Jüdinnen, deren Familienangehörige von den Nationalsozialisten umgebracht worden waren. Sie  stehen Frau Klarsfeld  seit dem ‚Lischka-Prozess‘ zur Seite und unterstützen sie bis heute in der FFDJF, der ‚Fils et filles de deportes juifs de France‘ (Söhne und Töchter von deportierten Juden Frankreichs). Die FFDJF vertritt die Rechte von Opfern der Schoah.

Nach den Jugendlichen, die gemeinsam mit ihren Lehrerinnen, Shira Rademacher, Edi Steinberg, Jafit Keynan und Rabbiner Shimon Muraviev anwesend waren, hatten Erwachsene Gelegenheiten, der Ikone der jüngeren deutschen Geschichte Fragen zu stellen. Bettina Levy in ihrer Eigenschaft als Vorstandsmitglied untermauerte durch ihre Anwesenheit die Bedeutung dieser außergewöhnlichen Begegnung.

Die Konzeption der Veranstaltung machte Frau Klarsfelds Biografie fast spürbar. In ihren Fragen brachten jugendliche und erwachsene Fragesteller ihre Hochachtung und ihre Dankbarkeit für Frau Klarsfelds Wirken zum Ausdruck. In ihren Antworten stellte Frau Klarsfeld heraus, dass ihre Lebensgeschichte motiviert und begleitet war von zwei Faktoren: dem Verhältnis der Deutschen zu ihrer Vergangenheit und der zweifelhaften Rolle der deutschen Justiz.

Obwohl Juden und Jüdinnen seit der ‚Machtübernahme‘ ausgegrenzt, verfolgt, enteignet und vertrieben wurden, behauptete die Mehrheit der deutschen Bevölkerung noch Jahrzehnte später, von den Naziverbrechen an den Juden „ nichts gewusst“ zu haben; man leugnete, wollte nichts mit der eigenen Vergangenheit zu tun haben. So war es auch in Beates Elternhaus: Ihre Eltern beklagten lediglich die Ungerechtigkeiten und materiellen Verluste, für die sie die Sowjets verantwortlich machten.

Mit 21 ging Beate Klarsfeld nach Paris, wo sie zwei Jahre später Serge heiratete. Serge, dessen Vater in Auschwitz umgebracht worden war, war  Rechtsanwalt und Historiker. Sein Schicksal und seine Arbeit haben Beate das Naziunrecht in seinem vollen Umfang zu Bewusstsein gebracht. Hierzu gehörte auch die Erkenntnis, dass Menschen, die im ‚Dritten Reich‘ namhafte Mandatsträger waren, in der Bundesrepublik wichtige Ämter bekleideten, so z.B. der damalige Bundeskanzler, Kurt-Georg Kiesinger. Über ein Jahr lang versuchte Beate Klarsfeld vergeblich, die Nazivergangenheit Kiesingers publik zu machen. Schließlich entschied sie sich zu einer Aktion, die mehr Öffentlichkeitswirkung hatte: Sie ohrfeigte Kiesinger auf dem CDU-Parteitag.. Kiesinger blieb Kanzler und Beate Klarsfeld  wurde in einem sog. ‚beschleunigten Verfahren’ am gleichen Tag zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt.

Zu den Naziverbrechern, denen Beate Klarsfeld auf der Spur war, gehörte Kurt Lischka: Lischka war als  ‚Befehlshaber der Sicherheitspolizei‘ in Paris für die Deportation und Ermordung von 76000 Juden verantwortlich. Klarsfeld spürte Lischka 1971 in Köln auf, wo er als Angestellter bei einer aus der Nazizeit befreundeten Familie tätig war. Bis zu seiner Bestrafung vergingen weitere 10 Jahre. Dann kam er mit einer 10-jährigen Haftstrafe davon.

Neben diesen geschichtlichen Vorgängen interessierte sich das Auditorium für die Unterschiede zwischen dem Antisemitismus der Nachkriegszeit und seiner heutigen Erscheinungsform. Während man in den ersten Jahrzehnten nach dem Nazireich leugnete und totschwieg, drückt sich der heutige Antisemitismus, den Frau Klarsfeld lieber als ‚Judenfeindlichkeit‘ bezeichnet, „aktiver“ aus. Heutzutage trifft man den antijüdischen Rassismus bei Demonstrationen von extremen politischen Gruppierungen, bei den ‚Querdenkern‘,  bei Islam-Protesten und in der Gesellschaft bei der sog. „Israelkritik“.  Viele Fragestellerinnen drückten ihre Hochachtung vor Frau Klarsfelds Beständigkeit aus und dankten ihr von Herzen für das, was sie „für uns Juden“ geleistet hat.

Die letzte Frage, die den Besuch der großen Dame der deutschen Geschichte abrundete, lautete:

„ Frau Klarsfeld, was braucht es, um diesen Kampf, den Sie schon so lange für uns kämpfen, durchzustehen ?“

Weil  nach diesem langen Besuchstag Frau Klarsfeld Stimmbänder allmählich ihren Dienst versagten, griff Mme Weisz ein, die sich bei ihrer Antwort durch Sichtkontakt zu ihrer Freundin versicherte, dass sie in Beates Sinne antwortet:

„ Man braucht Unterrichtung, Verantwortungsbewusstsein, Zivilcourage und ein Ideal…“ dabei schaute Mme Weisz ihre Gefährtin fast liebevoll an und ergänzte : „ und ein  Vorbild wie Beate.“

Yael Anspach